Das Ziel eines jeden ambitionierten Schülers in Frankreich ist es, das lycée zu besuchen. Es gibt weniger lycées als es collèges gibt, weshalb sich den Schülern auch weniger Auswahl bietet. In ländlichen Gegenden nehmen lycées Schüler aus großen Einzugsgebieten auf. Deshalb und wegen oft langer Schulwege bieten viele lycées Unterbringung in einem Internat von Montag bis Freitag an. In einem lycée werden die Schüler mehr wie Studenten behandelt und müssen nicht an der Schule bleiben, wenn sie keinen Unterricht haben.
Doch die entspannte Atmosphäre an den lycées steht in starkem Kontrast zum Druck der monatlichen Prüfungen (interrogations) und der Facharbeiten in den meisten Fächern. Es versteht sich von selbst, dass ein Schüler, der nicht hart arbeiten will, kein lycée besuchen sollte. Es gibt zwei Arten von lycées, die weiter unten beschrieben werden.
Manche lycées bieten Internate für vier Wochentage (Montag-Donnerstag) an, manche auch sonntagabends. An den Abenden werden Sport, gesellschaftliche Aktivitäten und betreute Hausübungszeiten angeboten. Die meisten Internate sind getrenntgeschlechtlich organisiert, aber manche Internatsschüler (internes) können auch ein Zimmer in der Nähe mieten und in der Schule zu Abend essen und an den Aktivitäten teilnehmen (diese Schüler werden dann internes externés genannt). Die Kosten sind angemessen: für internes bezahlt man ca. 2500 Euro pro Jahr, für internes externeś etwas weniger.
Allgemeinbildende und technische lycées (Lycée d’Enseignement Général et Technologique): Das allgemeinbildende lycée bereitet Schüler auf ihr allgemeines oder technisches baccalauréat vor, oder auf das technische Zertifikat (brevet de technicien/BT). Es gibt auch berufsbildende lycées (lycées professionnels/LP) und Centres de Formation d'Apprentis (CFA), die zu einem berufsbildenden Zertifikat führen.
Die Schulstufen werden in die zweite (seconde), die erste (première) und die letze Stufe (finale) unterteilt. Die zweite Stufe, auch classe de seconde de détermination genannt, verdankt ihren Namen der Tatsache, dass sie die Schüler auf die Entscheidung für ein bestimmtes baccalauréat vorbereiten soll. Wenige Schüler spezialisieren sich und arbeiten auf ein spezifisches baccalauréat hin. Es gibt Ausnahmen wie Musik, Tanz und verschiedene technische Zertifikate. Während der seconde haben Schüler Unterricht in Mathematik, Französisch, einer lebenden Fremdsprache, Geschichte, Geographie, Physik, Chemie, Biologie und Geologie; außerdem haben sie Sportunterricht.
Schüler müssen zusätzlich Fächer aus den folgenden Kategorien wählen:
- Theoretische Fächer – Einführung in die Wirtschaft und Soziologie und ein anderes Fach aus: lebende Fremdsprache, eine regionale Sprache, eine klassische Sprache, Management, Informatik, Kunst, oder eine Sportart.
- Praktische Fächer – Eines oder zwei technische Spezialfächer, wie beispielsweise industrielle Technik, Naturwissenschaft und Labor, Medizin oder Soziologie, oder angewandte Kunst. Die Wahl eines der technologischen Fächer ist Pflicht für Schüler, die von der ersten Stufe aufsteigen möchten und die entsprechende Prüfung des baccalauréat absolvieren wollen.
Es besteht die Möglichkeit, anhand der Absolvierung eines Übergangskurses (classe passerelle) von einem praktischen zu einem theoretischen Fach zu wechseln oder umgekehrt.
Nach der seconde müssen die Schüler einen der vorbereitenden Kurse für das baccalauréat besuchen. Allgemeinbildende und tecnische lycées bieten auch Kurse nach dem baccalauréat an, für Schüler, die das technische baccalauréat (BT) bereits haben. Solche Schüler können für weitere zwei Jahre für den brevet de technicien supérieur (BTS) lernen, der etwa 90 verschiedene Spezialisierungsbereiche umfasst. BTS-Absolventen können im Handel arbeiten oder eine technische oder Verwaltungsposition annehmen.
Das BTS-Programm hat sich seit seiner Einführung, aufgrund der guten Einstiegschancen in den Arbeitsmarkt, schnell entwickelt. Es wird häufig einer universitären Ausbildung vorgezogen. Es bietet sich außerdem die Möglichkeit, im Ramen eines Kurses praktische Erfahrungen im Handel oder der Industrie zu sammeln, und BTS-Schüler können sich für eines von über 1.400 Stipendien in Höhe von etwa 450 Euro bewerben, die sie für das Sammeln von Praxiserfahrung im EU-Ausland bekommen.
Berufsbildendes Lycée (lycée professionnel/LP): Kurse des berufsbildenden lycée ermöglichen den Erwerb eines Berufsabschlusses. Darunter befinden sich der brevet d’études professionnel (BEP) und der certificat d’aptitude professionnelle (CAP). Der BEP umfasst das nötige Wissen im Bereich von Handel, Industrie, Verwaltung oder des sozialen Sektors, aber weniger spezifische Fähigkeiten. Der CAP erfordert mehr Spezialisierung und wird für spezielle Fähigkeiten verliehen, wie zum Beispiel Schreinerei, Klempnerei, oder Schneiderei. Außer dem Unterricht erfordern der BEP und der CAP auch Praktika in Firmen mit einer vorbereitenden Einführung der Schüler für die Praktikumsstelle.
Nach Absolvierung des CAP können Schüler die "spezielle zweite Schulstufe" (seconde spéciale/spécifique) betreten, wo sie drei Jahre lang technische Bildung für den BT erhalten. Schüler mit BEP oder CAP können nach weiteren zwei Jahren Unterricht auch ein technisches oder ein berufsbildendes baccalauréat machen, das baccalauréat professionnel. Beinahe alle Berufe in Frankreich erfordern eine gewisse Form von Ausbildung oder Berufszertifikat, unter anderem Sekretäre, Verkäufer, und Kellner, ohne die es schwierig ist, eine Arbeitsstelle in einem gewissen Bereich zu bekommen.
Baccalauréat
Das baccalauréat (oft kurz bac) wird am lycée im Alter von 17 bis 18 Jahren absolviert und ist gleichzeitig eine Reifeprüfung für die Universität. Die Absolventen werden bacheliers genannt. Es gibt über 30 Arten von baccalauréat, die in die folgenden drei Haupgruppen unterteilt werden können:
- Allgemeines baccalauréat – Das allgemeine bac beinhaltet allgemeine Bildung als Vorbereitung auf die Universität und weniger für Handwerke oder Berufe. Es ermöglicht den Schülern ihre Bildung an der Universität fortzusetzen, in Form der vorbereitenden grandes écoles (siehe unten), einer höheren technischen Sektion (STS), einer technischen Universität oder speziellen Schulen. Es gibt drei Arten des allgemeinen bac: Literatur und Geschichte, Naturwissenschaften, oder Wirtschaft- und Sozialwissenschaften.
- Technisches baccalauréat – Es wird für die Absolvierung von allgemeiner Bildung und Bildung in einem technischen Bereich verliehen. Es stellt üblicherweise die erste Stufe für höhere technische Bildung dar, gewöhnlich an einem technischen Institut einer Universität oder dem STS, und gelegentlich einer Universität oder grande école. Es gibt acht Arten des technischen bac: Industrie, Naturwissenschaften und Technik, Labor, medizinische oder soziale Wissenschaften, Landwirtschaft, Hotellerie und Gastronomie, Musik und Tanz.
- Berufsbildendes baccalauréat – Das auch als baccalauréat professionnel bekannte bac wird immer mehr von Schülern gewählt und hat seit seiner Einführung großen Erfolg. Die meisten Absolventen betreten direkt den Arbeitsmarkt, obwohl ihnen auch die höhere Bildung offen stünde. Eines der besonderen Merkmale dieses bac ist der Anteil an Praxis, die ein Viertel der Ausbildung ausmacht.
Um sich für ein technisches Institut (IUT), ein politikwissenschaftliches Institut (IEP) oder ein post-baccalauréat Institut bewerben zu können, müssen Schüler das baccalauréat und eine schwierige Eingangsprüfung bestehen, oder nach bestandenem baccalauréat ein Bewerbungsgespräch mit einer Kommission der Schulen absolvieren.
Die Kurse, die ein Schüler in den letzten beiden Jahren des lycée absolviert, hängen von der Art des baccalauréat ab. Es gibt sieben Hauptgegenstände in der première und acht in der classe terminale. Das baccalauréat wird in zwei Teilen absolviert, wobei sich der erste Teil der première auf französische Sprache und Literatur konzentriert (baccalauréat de français). Dieser Teil muss bestanden werden, bevor andere Prüfungen abgelegt werden können. Der zweite Teil des bac wird in der classe terminale absolviert; Schüler die bei einem Teil durchfallen, können diesen im darauffolgenen Jahr wiederholen.
Die Prüfung für das baccalauréat
Die Gesamtpunktzahl, die man bei der Prüfung erreichen kann, ist 20. Eine durchschittliche Punktezahl von 10 bedeutet bestanden, 12-13 Punkte sind recht gut (mention assez bien), 14-15 sind gut (mention bien) und mehr als 16 Punkte sind sehr gut (mention très bien). Es werden allerdings nicht alle Fächer gleich gewertet, und je nach Art des absolvierten bac kann die Punktezahl in einem komplizierten System durch Multplikation mit bestimmten Koeffizienten (je nach Priorität) abweichen; Französisch erhält für gewöhnlich hohe Priorität.
Europäische Universitäten akzeptieren das baccalauréat als Zugangsberechtigung, wobei Studenten oft einen Nachweis für Kenntnisse der Landessprache erbringen müssen. Die Prüfungen für die internationale Bakkaluareatsoption (option internationale du baccalauréat/OIB) und des internationalen Bakkalaureats (IB) werden von manchen internationalen lycées (oder lycées mit internationalen Abteilungen) in Frankreich angeboten.
Vorbereitungskurse für Hochschulen
Die Hochschulvorbereitungskurse (classes préparatoires aux grande écoles/CPGE) sind Frankreichs höherbildende Eliteschulen und der erste Schritt der Schüler, die an einer Hochschulbilung interessiert sind. Der Zugang zu diesen Schulen wird durch die Noten der Schüler in der première und der terminale des lycée und von den gewählten Fächern bestimmt.
Bewerben müssen sich die Schüler Ende April bis Anfang Mai, das heißt bevor sie das baccalauréat eigentlich abgelegt haben. Die Bewerbungen müssen Berichte und Beurteilungen von Schule und Lehrern enthalten. Erfolgreiche Schüler lernen zwei Jahre (eines für Veterinärschüler) lang in den CPGE, die sich meist innerhalb eines lycées befinden, sonst in einer grande école. Zugang zur pŕepa erhält man per Auswahlverfahren, bevor man zu den Auswahlverfahren (concours) für die grandes écoles am Ende des lycée fortschreiten kann. Das letztere bestehen nur 10 Prozent der Bewerber.
Schüler, die dieses Auswahlverfahren nicht bestehen, können die prépa eventuell wiederholen und nach einem weiteren Jahr erneut an der Prüfung teilnehmen. Wenn sie ein zweites Mal durchfallen, müssen die Schüler sich für einen anderen Weg entscheiden. Dabei handelt es sich meist um eine Universität. Allerdings kann das Bestehen eines Teils des Auswahlverfahrens der CPGE den Schülern einen Teil der diplôme d'études universitaires générale (DEUG) am Ende des zweiten Jahres an der Universität ersparen.